Neue Studie zeigt: Dekarbonisierung der chemischen Industrie bewirkt 12-fachen Stromeinsatz

03.10.2018 | Die chemische Industrie hat zum Ziel, eine führende Rolle am Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu spielen. Schon heute ist sie durch ihre Produkte wie spritsparende Leichtbaustoffe bei Autos oder energiesparende Wärmedämmung für Gebäude maßgeblich daran beteiligt. Wo die Potentiale zur Dekarbonisierung in der eigenen Produktion liegen, hat nun eine Studie des Instituts für industrielle Ökologie berechnet, die der Fachverband der Chemischen Industrie in Auftrag gegeben hat und die im Rahmen der gestrigen Veranstaltung „E.mission 2050 – Herausforderungen und Lösungen am Pfad zur Dekarbonisierung der chemischen Industrie“ präsentiert wurde.

Klimaneutrale Chemie hätte Strombedarf wie ganz Österreich derzeit

Die Studienautoren kommen zu dem Schluss, dass die chemische Industrie ihren Treibhausgasausstoß bis 2050 zur Gänze eliminieren könnte. Allerdings ist dieser Weg mit enorm viel zusätzlichem Strombedarf verbunden. Wenn die Chemiebranche bis 2050 auf Erdöl und Erdgas als Rohstoff verzichtet, so bräuchte sie dafür Ökostrom in der Kapazität von 60 Wasserkraftwerken Freudenau. Das entspricht fast dem Stromverbrauch von ganz Österreich im Jahr 2016. Auch andere Industriebranchen und Sektoren wie Verkehr oder Gebäude werden entsprechende Dekarbonisierungsschritte setzen müssen, wodurch wir rasch an die Grenzen des technisch Machbaren stoßen.

Um klimaneutral zu produzieren, müsste die Branche ihren Kohlenstoff aus CO2-Abgasen und Biomasse beziehen, den benötigten Wasserstoff mittels Elektrolyse aus Wasser gewinnen sowie die Dampferzeugung verstromen. Diese Verfahren sind wesentlich energieintensiver als die herkömmlichen, die Rohöl und Erdgas als Ausgangsstoffe haben.

Die Teilnehmer waren sich einig, dass die Dekarbonisierung eine enorme Herausforderung für sämtliche Bereiche – Industrie, Haushalte, Verkehr und Landwirtschaft darstellt. Gleichzeitig wurde mehrfach betont, dass die chemische Industrie eine Branche ist, die durch ihre Innovationskraft einen erheblichen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten kann, gerade auch der Kreislaufwirtschaft wird dabei künftig eine große Bedeutung zukommen. Klar ist, dass ein gesellschaftliches Umdenken zu einem nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen notwendig sein wird und jeder einzelne einen Beitrag leisten muss.

Investitionskosten erschweren Konkurrenzfähigkeit

Abgesehen vom enormen Strombedarf und der dafür notwendigen Energieinfrastruktur müsste die chemische Industrie jährlich rund 580 Millionen Euro investieren, um bis 2050 klimaneutral zu werden. Gleichzeitig ist mit einem deutlichen Anstieg der Produktionskosten zu rechnen. Zusätzlich sind Investitionen in den Ausbau von Erzeugungsanlagen, von Netzen und Speicheranlagen zu tätigen, die letztendlich die Verbraucher tragen müssen.

Durch die hohen Kosten wäre Österreichs Chemie im internationalen Wettbewerb gar nicht mehr konkurrenzfähig. Die Branche ist international ausgerichtet und exportiert mehr als zwei Drittel ihrer Erzeugnisse. Global wettbewerbsfähig zu bleiben ist für ihr Bestehen unumgänglich.

„Die Herausforderung Klimawandel kann nicht regional oder gar national im Alleingang gelöst werden. Der ganze Planet muss hier an einem Strang ziehen“, fordert Culik und weist gleichzeitig darauf hin, dass man hier vom globalen Gleichschritt noch weit entfernt ist. Die EU habe sich im Vergleich zum Rest der Welt vergleichsweise ambitionierte und konkrete Klimaziele gesetzt. In den meisten anderen Regionen der Welt stehen derartige Bestrebungen noch aus. Culik sähe hier in einem globalen CO2-Preis eine Lösung.

„Wir sind eine innovative Branche und bereit unseren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Gleichzeitig muss gewährleistet werden, dass dieser Beitrag auch wirtschaftlich darstellbar sein muss.  Nur dann ist es möglich, andere Regionen zum Mitmachen zu bewegen und das Problem des Klimawandels global zu lösen.“

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