Rückblick Innovation Day Pharma

30.09.2019 | Welche Impfungen werden unsere Gesundheit noch besser schützen? Wie werden Gentherapien schwere Erbkrankheiten heilen können? Was zeichnet einen innovativen Mitarbeiter aus? Wo findet Innovation in der Wertschöpfungskette der Pharmaindustrie überall statt? Diese und viele weitere spannende Fragen wurden beim Innovation Day in den Räumlichkeiten der Wirtschaftskammer erörtert.

Den Anfang machte Jan-Uwe Meyer mit einer spannenden Keynote, in der er aufzeigte, dass der Innovationsbegriff vieles mehr beinhaltet als Produktentwicklung. In unserer schnelllebigen Zeit reicht es nicht, sich an den Kundenwünschen zu orientieren, denn oft sind diese, sobald sie umgesetzt wurden, bereits Schnee von gestern. In jedem Unternehmen kann man unterscheiden zwischen den „alten Hasen“, die das System bewahren wollen und sich an Regeln gebunden fühlen, und „Piraten“, deren Denken sich nicht in Schranken weisen lassen will und die gerne über den Tellerrand blicken. Während die Piraten übersprudeln vor Ideen, hören sie von den alten Hasen, dass diese nicht umsetzbar sind. Wichtig sind laut Meyer beide Typen, um Innovationen umsetzen zu können. Die alten Hasen dürfen die Piraten nicht zu früh durch „Geht nicht“ stoppen und man benötigt eine Unternehmenskultur, die Scheitern nicht verurteilt und intelligente Fehler zulässt.

Den nächsten Schwerpunkt bildete das Thema „Impfen“. Auch wenn Impfstoffentwicklung heute nicht mehr als innovativ betrachtet wird, gibt es in diesem Bereich dennoch Innovationsbedarf. Sylvia Nanz von Pfizer zeigte auf, dass der Erfolg von Impfungen dazu geführt hat, dass diese unpopulär wurden. Kaum jemand ist heutzutage mit Masern konfrontiert und kennt das Krankheitsbild. Diesen Umstand haben wir umfassenden Durchimpfraten zu verdanken. Doch diese erfreuliche Entwicklung hat auch ihre Schattenseiten: die Menschen erkennen keine Notwendigkeit von Impfungen mehr, wo die Gefahr nicht sichtbar ist. Neben einer Optimierung bestehender Impfstoffe wird aktuell an Impfungen gegen Krankenhauskeime, an Krebsvakzinen sowie an Impfungen für Schwangere zum Schütz des Neugeborenen geforscht.

Welch revolutionäre Technik zu Modifikationen von Erbgut die CRISPR/Cas9-Methode ist, zeigte Julia Maier von Merck. Mit ihr werden Gensequenzen wie mit einem Skalpell sehr exakt zerschnitten, während Vorgängermethoden weniger exakt und viel langsamer in der Umsetzung waren. Wolfgang Bonitz von Novartis knüpfte direkt an und stellte therapeutische Anwendungsmöglichkeiten von CRISPR/Cas9 vor. So können etwa Kinder mit Lebersche Amaurose, einer genetisch bedingten Augenerkrankung, durch lokales Einbringen von „gesunden“ Genen vor dem Erblinden bewahrt werden. Aber auch eine bestimmte Form von Blutkrebs ist durch die CAR-T-Zelltherapie heilbar. Ziel ist es, in Zukunft auch solide Tumore mittels dieser Methode zu bekämpfen. Dass die Anwendung dieser Methode ethische Grenzen hat, wenn zB Mediziner perfekte Kinder im Reagenzglas erzeugen wollen (in ganz Europa ist das strikt verboten!), wurde in den Vorträgen ebenfalls beleuchtet.

Über den gleichen Feind, aber über ein anderes Mittel zu dessen Bekämpfung, berichtete Darryl McConnell in seinem Vortrag: Bei Boehringer Ingelheim sucht er mit seinem Team nach dem molekularen Schlüssel, mit dem der fehlsteuernde Zellteilungregulator KRAS zur Normalfunktion zurückgesetzt werden kann. Im Tiermodell konnte man auf diese Weise bereits Bauchspeicheldrüsenkrebs erfolgreich behandeln. Die besondere Leistung dabei ist, dass das Protein KRAS für einen Wirkstoff erst zugänglich gemacht werden musste.

Dass Innovation nicht nur auf der Ebene von Produktentwicklung passiert, zeigte der Vortrag von Ulrich Wieltsch. Bei Thermo Fisher erzeugt man unter anderem pharmazeutische Polymere zur Behandlung von Stoffwechselerkrankungen. Bei der Herstellung dieser ergibt sich allerdings die Herausforderung, dass die Kügelchen nach der Reaktion unterschiedlichste Größen aufweisen. Beim anschließenden Aussieben ist der Ausschuss dann enorm hoch. Daher kam das Forscherteam auf die Idee, bereits direkt bei der Reaktion Kügelchen mit einheitlicher Größe anzustreben, was mittels Rühren zu einer Emulsion erzielt werden kann. Das klingt allerdings einfacher als es ist, denn nicht nur die Geschwindigkeit des Rührers ist entscheidend, sondern auch die Form und Lage seiner Rotorblätter und vieles mehr.

Michael Dekner von Takeda stellte eine innovative Lösung der Gefriertrocknung vor. Diese passiert momentan chargenweise, was zeitraubend und unflexibel ist. Eine kontinuierliche Verfahrensweise bringt hier klare Vorteile: die Anlage braucht weniger Platz, ermöglicht Echtzeitanalysen, die Trocknung erfolgt homogener und eine Kapazitätserhöhung kann durch eine zweite Anlage einfach bewerkstelligt werden.

Die Veranstaltung hat gezeigt, dass Innovation in der pharmazeutischen Industrie sehr vielfältig ist und tagtäglich gelebt wird. Wir können gespannt in die Zukunft schauen und uns auf bessere Impfungen, zB gegen Krankenhauskeime, Therapien gegen bisher nicht behandelbare Tumore oder neue Behandlungsmöglichkeiten von genetischen Erkrankungen mit Aussicht auf Heilung freuen und dabei sicher sein, dass unsere Arzneimittel mit höchstmöglichem Qualitätsanspruch und Ressourcenschonung hergestellt werden.

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